#body_?

Projektbegründung

Auf Instagram werden mit Hashtags wie # bikinibridge[1], #thighgap[2], #collarbonechallenge[3], #thinspiration[4] oder #abcrack[5] Schönheitsideale propagiert, die in Hinblick auf gesundheitliche Aspekte problematisch sind. Es werden Schönheitsideale inszeniert, die u. a. sehr magere oder extrem sportliche Körperbilder propagieren – Schönheitsideale, die mit einem gesunden Bewegungs- und Essverhalten wenig zu tun haben. Beispielsweise wird die „Ab Crack“ erst ab einem Körperfettanteil von maximal 12 % sichtbar (bei normalgewichtigen Frauen liegt der Fettanteil allerdings zwischen 18 und 20 %). Besonders besorgniserregend ist, dass diese Instagram-Trends oft vorgeben, einen gesunden Lebensstil zu fördern, obwohl sie zum Gegenteil (‚Krankheit‘) anstiften. So berichtet etwa die Status-of-Mind-Studie der britischen Royal Society of Public Health[6], bei der 1500 14- bis 24-Jährige befragt wurden, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Nutzung von Social Media und der Entwicklung von Depressionen und Angststörungen besteht. Instagram sorge schnell dafür, dass sich das Gefühl breit macht, dass der eigene Körper nicht gut genug sei. Eine Studie des Wiener Programms für Frauengesundheit kommt zu einem ähnlichen Ergebnis [7]. Laut der Kinder- und Jugendgesundheitsstudie HBSC sind fast die Hälfte der österreichischen Schülerinnen und Schüler mit ihrem Aussehen und ihrem Körper unzufrieden (HBSC, 2018). So finden sich die Burschen* als zu dünn
und die Mädchen* als zu dick und, das unabhängig von ihrem tatsächlichen Körpergewicht. Der ständige Vergleich mit auf Social Media propagierten Bildern
kann negative Folgen haben. Der „schöne“ Schein von Influencer:innen und Co.
wird als bare Münze genommen. Es wird „verschönert“ und „Beauty Filter“ werden verwendet. Vor allem auf Instagram wird diese Tendenz mit eingebauter Bildbearbeitung verstärkt. Dieses ständige Vergleichen zwischen digitaler und analoger Welt kann zu seelischen Konflikten führen.

 [1] Teil zwischen den Hüftknochen, auf dem das Bikini-Höschen beim Liegen oder gar Stehen „idealerweise“ nicht aufliegt

[2] Lücke zwischen den geschlossenen Oberschenkeln

[3] Geldstücke werden in die Schlüsselbein-Kuhle gelegt. Je
dünner, desto mehr Geldstücke bleiben liegen.

[4] Fotos von ausgehungerten Körpern.

[5] Die Spalte, die vom Bauchnabel aufwärts verläuft und die
Muskulatur der Bauchdecke unterteilt.

[6] https://www.rsph.org.uk/our-work/campaigns/status-of-mind.html
[abgerufen am 01.06.2021]

[7]
https://www.wien.gv.at/gesundheit/beratung-vorsorge/frauen/frauengesundheit/pdf/bodyshaming-fokusgruppen-kf.pdf

Zielsetzung

Ziel des Projektes ist es, Jugendliche und junge Erwachsene darin zu unterstützen, ein positives (Körper-) Selbstbild zu stärken bzw. zu entwickeln. Durch Methoden der Informationsvermittlung bis zur individuellen Aufbereitung werden Jugendliche und junge Erwachsene befähigt, ressourcenorientiert einen positiven Blick nach außen (Chancen und Möglichkeiten) und innen (Selbstwahrnehmung, positives Selbstbild) zu generieren. Der partizipative Prozess zwischen Primär- und sekundären Zielgruppen ermöglicht zudem die Entwicklung eines nachhaltigen Projektes, welches auf individueller wie auch sozialer Ebene Einfluss nimmt und Kommunikationsprozesse öffnet. Zudem werden gemeinsam mit den Jugendlichen unterstützende und
zugleich schützende Funktionalitäten entwickelt, die bei der Betrachtung sozialer Medien Anwendung finden. Diese Funktionalitäten sollen es der Zielgruppe in ihrer digitalen Lebenswelt einfacher machen, falsche
Gesundheitsideale, die über die sozialen Medien transportiert werden, zu erkennen, zu bewerten und die für sich selbst richtigen Schlüsse zu ziehen. Diese Schutzfunktionen für digitale Lebenswelten stellen eine begleitende Ergänzung zu den Coachings und Beratungsgesprächen dar und sollen helfen, Gesundheitskompetenz in der digitalen Lebenswelt aufzubauen.

Setting/s und Zielgruppe/n

Settings bzw. Räume: Virtueller Raum (vor allem Social Media wie Instagram) und analoger Raum (Coaching im kinderärztlichen Setting)

Primäre Zielgruppe: Jugendliche und junge Erwachsene, Sekundäre Zielgruppen: Kinderärzt*innen und Eltern/Erziehungsberechtigte

Geplante Aktivitäten und Methoden

Arbeitspaket 1: Partizipationder Zielgruppe

2 bis 4 Jugendliche sollen als Co-Researcher in das Kern-Projektteam eingebunden und für ihre Mitarbeit entlohnt werden. Zusätzlich dazu soll ein Zielgruppenbeirat den Forschungsprozess
unterstützen.

Ziel/Produkt: Jugendliche sind aktiver Bestandteil des Projektteams.

Arbeitspaket 2: Social Media („Körperbild“) Lebenswelt der Jugendlichen mittels Photovoice erfahren

Mittels der partizipativen Forschungsmethode „Photovoice“ sollen die Körperbild und Bedürfnisse der Jugendlichen in der Social-Media-Lebenswelt bestimmt werden. Photovoice ist eine partizipative Methode, welche die Gruppe anhand der visuellen Dokumentation und Erzählung miteinander verbindet: Mitglieder einer Gruppe machen Fotos von ihrer Lebenswelt und werten sie gemeinsam aus. Durch das Abbilden und Reflektieren von Stärken und Anliegen der Community sollen Veränderungsprozesse angestoßen werden. Die Methode eignet sich besonders, um Bedürfnisse der Jugendlichen zu erfassen. In Vorarlberg wurde diese Methode bereits beim Projekt „alls im grüana“ erfolgreich angewendet. Das aha - Jugendinformationszentrum Vorarlberg
und der Verein Amazone waren damals an der Umsetzung beteiligt und sind auch in gegenständliches Projekt eingebunden.

Ziel/Produkt: Masterarbeit, Graphic Recording, ev. Ausstellung. Social-Media-Lebenswelt von Jugendlichen in Bezug auf Körperwelt und deren Bedürfnisse kann beschrieben werden.

Arbeitspaket 3:
Triaden-Gespräche (Ärzt:innen-Jugendliche-Eltern)

Auf Basis der Ergebnisse der Photovoice-Studie sollen qualitative Triaden-Gespräche zwischen der Ärzteschaft, Betreuungspersonen und den Jugendlichen selbst stattfinden.

Ziel/Produkt: Masterarbeit.
Kommunikationsmuster zwischen der Triade „Ärzt*innen – Betreuungsperson – Jugendliche“ zum Thema Körperbild können beschrieben werden, Handlungsempfehlungen für Gesundheitspersonal und Eltern werden erarbeitet und disseminiert.

Arbeitspaket 4:
Coaching-Angebot um ein Arbeitspaket „Body positivity“ erweitern

Ein ganzheitliches Gesundheitscoaching schließt die Brücke zwischen der visuellen Wahrnehmung der Lebenswelt mittels Medien/Social Media und der emotionalen Selbstwahrnehmung.

Ziel eines fundierten Gesundheitscoachings ist es, den Jugendlichen und jungen Erwachsenen Raum zu geben, die Eindrücke und Themen der Selbstwahrnehmung über Social Media positiv zu verarbeiten und eigene Stärken zu festigen. Dabei wird ein positiver Blick auf Möglichkeiten und Chancen versus Vergleiche und Selbstkritik entwickelt, um die Nutzung von Social Media lösungsorientiert und positiv zu gestalten.

Gesundheitscoaching orientiert sich dabei an der positiven Psychologie, welche Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer positiven Selbstwahrnehmung, insbesondere einem positiven (Körper-) Selbstbild, unterstützt. Im Mittelpunkt steht das Empowerment der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, um positiv und ressourcenorientiert das eigene Wohlbefinden auch unter kritischem Einfluss von Medien selbstbestimmt zu lenken und den Blick auf positive Chancen zu schärfen.

Die Stärke der Coaching-Methode ist es, das auf Problemstellungen und Herausforderungen individuell eingegangen werden kann. Angepasst auf Einzelne wie auch in der Gruppe können mittels Coaching Entwicklungsprozesse dynamisch begleitet werden. Dies birgt die Möglichkeit, auf bestehende Methoden wie z. B. „Photovoice“ flexibel einzugehen und diese weiter zu bearbeiten.

Ziel/Produkt: Modul „Body Positivity“ wird erarbeitet und im Rahmen von Gesundheitscoaching für Kinder und Jugendliche angeboten.

Arbeitspaket 5: Entwicklung
einer Online-Kampagne für Jugendliche, insbesondere Mädchen* und junge Frauen*

Im Zuge des Projekts soll eine Online-Kampagne erarbeitet werden, die Jugendliche, insbesondere Mädchen* und junge Frauen* in Social Media, insbesondere Instagram erreicht und für die Darstellung von Schönheits- und Körperbildern in ebendiesem Medium sensibilisiert. Die Online-Kampagne soll relevante Themenfelder in diesem Zusammenhang (Essverhalten, Photoshop und Filter, Selbstbestimmung, Vielfalt) diskutieren, Problembezüge sichtbar machen, auf Fragestellungen und Bedürfnisse von Jugendlichen reagieren und einfache Handlungsstrategien aufzeigen.

Der Verein Amazone entwickelt die Online-Kampagne gemeinsam mit Mädchen* und jungen Frauen* und stellt ihre Perspektiven in den Mittelpunkt. Erkenntnisse aus den Arbeitspaketen 1 bis 3 bilden den Ausgangspunkt und werden inhaltlich aufbereitet und miteinbezogen. Auch die Form der Darstellung und Aufbereitung (Fotos, Clips, interaktive Tools etc.) erfolgt in Abstimmung mit Mädchen* und jungen Frauen*.

Die Teile der Kampagne werden in der Folge Interessierten zur Verfügung gestellt und können in der Arbeit mit Jugendlichen (Schule, Jugendarbeit, Beratung etc.) über die Projektlaufzeit hinaus verwendet werden.

Ziel/Produkt: Mehrteilige Online-Kampagne wird erarbeitet, in Social Media veröffentlicht und Interessierten zur Verfügung gestellt.

Arbeitspaket 6:
Nutzer:innenzentrierte Entwicklung und Evaluation von Unterstützungsfunktionalitäten in digitalen Lebenswelten

In diesem Arbeitspaket wird die digitale Lebenswelt der Zielgruppe in den Fokus gerückt. Das Design von digitalen Anwendungen kann die Wahrnehmung durch die Betrachtenden beeinflussen. Anhand von theoretischen Modellen, Prinzipien und Designansätzen aus den Kognitions- und Medienwissenschaften werden die Potentiale dieser Ansätze für die Unterstützung eines positiven (Körper-)Selbstbildes herausgearbeitet. Konzepte wie das digitale Nudging aus der Verhaltensökonomie sowie der Persuasion aus der Informationswissenschaft werden in verschiedenen Kontexten zum Zwecke der Optimierung des Nutzerverhaltens und der Einstellungs- und Verhaltensänderung eingesetzt und basieren auf einer Fundierten, in Studien belegten psychologischen Basis (Meske & Potthoff, 2017)[1]. Beide Konzepte können als zielgruppengerechte Methode für die technikgestützte Unterstützung von Verhaltensänderung in Bezug auf gesundheits- und wohlbefinden-relevantes
Verhalten angenommen werden. Jedoch sind diese Konzepte auch kritisch zu reflektieren, inwieweit sie – wenn auch nicht beabsichtigt – als parternalistische Bevormundung oder Täuschung empfunden werden.

Inwieweit persuasive Kernstrategien (Fogg, 2003; Oinas-Kukkonnen & Harjumaa, 2008) sowie digitaler Nudges nach dem DINU Modell von Meske & Potthoff (2017) aus sich der Zielgruppe geeignet sind, wird in einem nutzer*innen-zentrierten Designprozess gemeinsam mit der Zielgruppe erarbeitet. Dabei kommt die Methode des Design Thinking zum Einsatz, in der die Zielgruppe schrittweise angeleitet wird, mögliche Lösungsansätze und Prototypen für schützende Funktionalitäten auf Basis der theoretisch-konzeptionellen Vorarbeiten zu persuasiven Strategien und Designansätzen nach dem digital nudging Model er erarbeiten und in der Gruppe vorzustellen und zu diskutieren.

Auf Basis der Ergebnisse aus dem Design Thinking erfolgt dann eine sozial-ethischen Abwägung und technischen Machbarkeits-Einschätzung mit Expert*innen unterschiedlicher Disziplinen (Informatik, Psychologie, Gesundheitswissenschaft, Forschungsethik-Kommission der Fachhochschule Vorarlberg) die einen Vorschlag zur Umsetzung und Implementierung zur Folge hat. Die Ergebnisse der Abwägung und Einschätzung werden dann wiederum mit der Zielgruppe diskutiert und gegebenenfalls überarbeitet. Schließlich folgt eine prototypische Implementierung einzelner Funktionen sowie ein Nutzer:innen-Test.